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Impuls Karfreitag und Ostern

von Pfarrerin Andrea Fink-Fauser

Liebe Leserin, lieber Leser,

KreuzeKarfreitag: Einsamkeit, Kontaktverbot, Isolation, Ärzte und Pflegekräfte, die an ihre Grenzen kommen; die unsichtbare Bedrohung der Krankheit, die über uns allen schwebt.

Karfreitag: häusliche Gewalt, Verlust des Arbeitsplatzes, Gefährdung der eigenen Existenz. Künstler ohne Auftrittsmöglichkeiten.

Karfreitag: als politisch Verantwortliche immer wieder neu schwierige Entscheidungen treffen. Was wird aus Europa? Elend und große Sorge in den Flüchtlingslagern.

Am Karfreitag bringen wir unsere eigenen dunklen Erfahrungen unter das Kreuz Jesu. Auch alles, was uns in unserem Leben abgesehen von der Corona-Krise belastet: wenn ich mich manchmal wie gelähmt fühle, wenn ich keine Perspektive für mein Leben habe, nicht weiß, wie es weitergehen soll. Wenn ich das Gefühl habe, das Leben erreicht mich nicht. Wenn ich mir hilflos und ohnmächtig vorkomme angesichts der großen Not auf der Erde. Unsere verzweifelten Schreie finden sich wieder in den verzweifelten Worten Jesu: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Doch das ist nicht alles. Wir erinnern uns am Karfreitag auch deshalb an den Tod Jesu, weil in diesem Tod eine Kraft steckt.  Die Kraft der Liebe, die alles überwindet, selbst den Tod. Wir erfahren: Auch im tiefsten Leid ist Gott anwesend, nicht der Tod behält das letzte Wort, sondern Gott! So erzählt das Kreuz gleichzeitig von tiefer Seelenfinsternis und von dem Trost, der durch diese Nachterfahrung erwachsen ist. Gott geht mit uns durch die dunklen Täler. Er schenkt Leben, auch über den Tod hinaus.

Künstler und Dichter haben diese Erfahrung in ein Bild gefasst: Aus dem Kreuz wächst ein Lebensbaum! Aus dem Totholz sprießt neues Leben hervor! Auch ein Gesangbuchlied erzählt von diesem Bild: „Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht. Kyrie eleison, sieh wohin wir gehen. Ruf uns aus den Toten lass uns auferstehn!“ Das Kreuz als Lebensbaum. Es ist ein Urbild der Seele und zugleich beschreibt es unsere Lebenserfahrungen. Auch in diesen Wochen erleben wir mit Staunen, was bei den Menschen um uns herum alles wächst: Nachbarn, die sich bisher kaum kannten, kaufen füreinander ein, es entstehen neue Freundschaften. Musikerinnen und Musiker entdecken neue Wege, anderen ihre Musik nahezubringen – sei es auf digitalen Kanälen, sei es durch das Musizieren auf den Balkonen und Kirchtürmen. Menschen machen sich am Telefon gegenseitig Mut. Immer wieder melden sich Freiwillige, um in Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen mitzuhelfen. In unserer Gemeinde haben wir dazu aufgerufen, Steine mit Hoffnungssymbolen zu bemalen. Jeder für sich und doch als Teil einer großen Gemeinschaftsaktion.

Manchmal wachsen Kräfte über längere Zeit unbemerkt in unserer Seele. Irgendwann spüren wir, dass sich etwas verändert hat, dass wir einen festeren Stand gewonnen haben. Vielleicht traue ich mir eine Aufgabe zu, die ich mir bisher noch nicht zugetraut hätte. Vielleicht gelingt es mir, zu sagen, was ich brauche, vielleicht fällt es mir leichter, um Hilfe zu bitten.

SteineAm Ostermorgen, so erzählt die Bibel, machen sich drei Frauen auf den Weg zu Jesu Grab. Dort wollen sie trauern, und sie wollen den Toten einbalsamieren. Doch als sie am Grab sind, kommt alles anders. Der Stein ist weggewälzt, ein Engel spricht die Frauen an: „Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesu von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, er ist auferstanden! Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen!“ Der Blick der Frauen wird in eine andere Richtung gelenkt. Nicht in der Vergangenheit ist Jesus zu finden, sondern er kommt uns aus der Zukunft entgegen! Das Osterfest ist in diesem Jahr ganz anders als sonst. Viele liebgewordene Rituale können nicht stattfinden. In welche Richtung würde uns der Engel heute weisen? Wo kommt uns heute der Auferstandene entgegen?

In vielen Beiträgen denken Menschen gerade darüber nach, wie unser Land, wie unsere Welt nach Corona aussehen wird.  Gelingt es uns, wichtige Erfahrungen aus dieser Zeit in die Zukunft mitzunehmen? Nicht einfach wieder ganz schnell zur Tagesordnung überzugehen?

Das Osterfest erinnert uns daran: Nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft kommt uns Gott entgegen!

Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!