Bonhoefferzentrum
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Predigt So. 22.03.20 (von Präd. H.-G. Bühner)

Evangelium (Joh 12, 20-24):

Die Ankündigung der Verherrlichung

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen's Jesus. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Predigttext (Jes 66, 10-14):

Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust. Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

Liebe Gemeinde!

Freuet euch! Wie bitte? Trotz Corona-Krise? Jedoch kennen wir diese Aufforderung auch aus dem Neuen Testament. So schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde zu Philippi (Phil 4, 4):

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!

Dort ist in unserer neuen Luther-Bibel zuvor in der Überschrift zu lesen: Mahnung … zur Freude im Herrn. Die Freude, von welcher hier somit die Rede ist, ist keine oberflächliche, heiterkeitsbezogene Freude. Sie reicht viel tiefer. Es geht um eine Freude, die selbst im Gefängnis noch zum Tragen kommt. Beispielsweise von Dietrich Bonhoeffer ist sie überliefert.

Konkret sollen wir uns mit Jerusalem freuen. Allerdings ist auch das in unseren Tagen für Viele ein Stein des Anstoßes. Das muss uns bei der Betrachtung dieses Textes jedoch nicht kümmern. Denn hier macht der Gott Israels, der ja auch unser Gott ist, eine bemerkenswerte Zusage. Er spricht von einer noch kommenden Zeit, in welcher diese Stadt zu einem Sinnbild für Heil und Gericht werden wird. Für die dann geläuterten Israeliten wird sie zum Heil werden, für die gegen sie in den Krieg gezogenen fremden Völker zum Gericht (siehe hierzu auch Sacharja, Kapitel 14).

Als Christen stehen wir nach den Ausführungen besonders des Apostels Paulus (Römerbrief, Kapitel 9 bis 11) an der Seite Israels. Nicht ohne Grund ist deshalb auch vom Neuen oder Himmlischen Jerusalem (Offenbarung, Kapitel 21) die Rede, welches für alle Zeiten die Gläubigen aller Zeiten beherbergen wird.

Dieser Schluss des Buches Jesaja ist ein Blick in die dann endlich friedvolle Zukunft der Gläubigen. Endlich müssen sie keine Angst mehr vor Verfolgung haben. Die Anzahl getöteter Juden im Ausland bewegt sich von Jahr zu Jahr beängstigend nach oben. Selbst in den bis vor kurzem judenfreundlichen USA nimmt die Zahl derjenigen Juden zu, welche deshalb an Auswanderung nach Israel denken. In Frankreich und England ist dies schon länger ein Thema, jetzt aber auch in unserem angeblich so auf Schutz der Juden bedachten Land.

Doch nicht nur die Juden betrifft es. Was unsere Medien und selbst die beiden großen Kirchen unter dem Teppich halten, ist die zunehmende Christenverfolgung in der Welt. Wenigstens der Politiker Volker Kauder, übrigens ein zeitweiser Klassenkamerad von mir, setzt sich international dafür ein, dass dieses Problem medial bekannt wird. Was auch viel zu wenig bekannt ist: Es sind nicht nur die moslemischen Länder, welche durch Christenverfolgungen auffallen, sondern selbst Länder wie Indien. Auch in China wird ein zunehmend rigider Kurs gegen Christen gefahren. Aber unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern scheinen wichtiger zu sein ...

Die Apokalypse der Bibel macht kein Geheimnis daraus, dass diese negative Entwicklung sich massiv verschärfen wird. Jesus machte seinen Jüngern gegenüber kein Geheimnis daraus, dass es ihnen nicht besser ergehen würde als ihm selbst (Johannes-Evangelium 15, 20):

Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen; …

Wen wundert’s, dass sich solchermaßen immer wieder gepeinigte Menschen nach Trost sehnen. Und da wird uns hier ein wundervolles Trostwort zugesprochen (Vers 13):

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; …

Zum Einen erkennen wir hier, wie falsch es ist, Gott stets auf die männliche Rolle festgelegt zu haben. Aber das müsste eigentlich durch die Schöpfungsgeschichte deutlich geworden sein. Dort heißt es nämlich, dass die Menschen Abbilder Gottes sind. ER schuf sie als Mann und als Frau. Wenn wir erst als Mann und Frau gemeinsam Gottes Abbild sind, dann impliziert dies, dass Gott auch beide Eigenschaften haben muss.

Mütter können nun mal besser trösten als Väter. Zu wem liefen wir als Kinder, wenn wir uns wehgetan hatten? Eben. Nun dürfen wir getrost davon ausgehen, dass Gott in vollkommener Weise trösten kann. Und ER schenkt hierbei ein ganz besonderes „Trostpflaster“, nämlich Jerusalem. Das dürfen wir im doppelten Sinne verstehen, wie vorhin schon angedeutet. Das irdische Jerusalem wird quasi zur neuen Welthauptstadt, von wo aus Jesus mit den Seinen die Welt nach seiner Wiederkunft regieren wird. Keine Rachegedanken werden hierbei die Regierungsgeschäfte unterlaufen. Vergebung ist das Geheimnis wahren Christseins. Und so wird ein Miteinander praktiziert werden, wie wir es uns alle wünschen und wonach wir uns sehnen. Auch die gesamte Schöpfung wird dann befreit sein vom Fluch des Fressens und Gefres­senwerdens. Mit wundervollen Worten beschreibt der Prophet Jesaja dies nur ein Kapitel zuvor:

Neuer Himmel und neue Erde

Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des Herrn, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr.

Das wird nur noch getoppt vom späteren Neuen, Himmlischen Jerusalem, wie das Buch der Offenbarung dies schildert. Das wird dann nichts mehr mit dem Jerusalem zu tun haben, welches wir noch kennen. Dieses irdische Jerusalem nämlich erinnert uns an all das, wozu Menschen in ihrem Hass und in ihrer Verblendung und Habgier fähig sind.

Der wiederkommende Messias zeigt uns einen Weg aus diesem Dilemma. Schon im Hier und Jetzt dürfen wir etwas von der Zusage erfahren, welche uns durchs prophetische Wort gegeben ist. Ihm, dem Gottessohn, nachzufolgen muss unsere Devise hierbei sein. Nachfolge bedeutet nicht, auf irgendwelche berauschenden Gefühle im Rahmen einer wie auch immer gearteten „Gotteserfahrung“ zu warten. Nachfolge bedeutet ganz schlicht und einfach, im Alltag das zu tun, was Jesus seinen Jüngern empfohlen hat. Nachfolge wirft uns hinein ins ganz normale Weltgeschehen. Da geht es um Pflichten und Verantwortung. Aber wie wir als Christen damit umgehen, das unterscheidet uns. Der Umgang mit seinen Fehlern ist das Merkmal eines Christen. Er gibt sie zu und entschuldigt sich dafür. Auch das ist dann eine Form des Trostes, wenn dadurch andere erfahren, dass sie keine schlechteren Menschen sind, nur weil sie Fehler machen.

Diesen so trostreichen Umgang miteinander hat uns unser Herr Christus mit seinem Leiden und Sterben ermöglicht. Bonhoeffer schreibt hierzu in seinem Buch Nachfolge (S. 209):

Gott nimmt die Menschheit an, nicht mehr allein durch das gepredigte Wort, sondern im Leibe Jesu. Gottes Erbarmen schickt seinen Sohn ins Fleisch, damit er mit dem Fleisch die ganze Menschheit selbst auf sich lade und trage. Gottes Sohn nimmt die ganze Menschheit leibhaftig an, die im Gotteshass, im Stolz des Fleisches Gottes leibloses, unsichtbares Wort verwarf. Jetzt ist sie im Leibe Jesu Christi leibhaftig und wahrhaftig angenommen, so wie sie ist, aus göttlichem Erbarmen.

Wenn das kein Trost ist …

Amen.