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Interpretation des Altarbildes von Walter Habdank


An vielen Stellen könnte man bei einer Betrachtung dieses Bildes beginnen: bei der großen Christusfigur in der Mitte, bei den Personen, die sich unmittelbar um ihn scharen, bei dem Tisch, der durch die Christusfigur halb verdeckt ist, oder auch bei dem Brot und dem Wein, die auf diesem Tisch zu sehen sind.

  Nichtsdestotrotz möchte ich Ihre Aufmerksamkeit zuerst auf etwas ganz anderes lenken. Näm­lich auf die Hände der Figuren. Unnatürlich groß erscheinen sie auf den ersten Blick, fast so, als hätten sie ein eigenes Leben. Mit ihren Gesten, mit der Art und Weise, wie sie gestaltet sind, drücken sie viel über die Menschen aus, zu denen sie gehören. Fast könn­te man sagen: die Menschen bekommen ihr Leben über ihre Hände, als wäre das Innerste der Menschen, ihre Seele, das, was sie ausmacht, in diesen Hän­den verborgen.


Bei vielen Bildern von Walter Habdank sind es die Hände, die im Gedächtnis bleiben. Die großen, wie Antennen ausgestreckten, feinnervigen Hände der Men­schen. Suchende, flehende, ringende, schlagende, verzweifelt gen Himmel gereckte, bittende, tröstende, umarmende, beschützende, dankende Hände. Selbst die Kinder, die er malte, haben diese überdimensionalen ausdrucksstarken Hände.

Wer Walter Habdank persönlich kannte, wei, dass er auf jedem seiner Menschenbilder immer auch ein wenig seine eigenen Hände gemalt hat. Bayrisch würde man wohl "Pran­ken" dazu sagen. Er gehörte nicht zu den Künstlern, die dem Selbstporträt in seinem Schaffen eine große Bedeutung zugemessen hätten, aber er hat sich selbst in diesen Händen verewigt. Und vieles, was seine Bilder aussagen, werden durch diese Hände und ihre Gesten vermittelt.

  Aber bei seinen markanten Gestalten sind es nicht nur die Hände, auch andere Teile des Körpers sind unnatürlich groß dargestellt: die Füße, die Gesichter, die Augen ‑ sie machen Ursituationen und Urhaltungen sicht­bar. Für Walter Habdank war es immer wich­tig, eine Ge­schichte nicht nur zu illustrieren, sondern in seinen Bildern, bei denen er oft ganz bewusst auch biblische Motive aufgenommen hat, von der Bewälti­gung mensch­liche Grenzsituationen zu erzählen. Dabei zwingt die Technik des Holzdruckes zur Konzentration auf das Wesentliche. Sie verlangt eine klare Linienführung, lässt wenig Varianten bei der Farbgebung.


Walter Habdank war ein Meister dieser Technik, die in ihrer reduzierten, kargen, bisweilen groben Schlichtheit seinem lebenslangen Versuch entgegenkam, das komplexe und wirre Tun und Streben der Menschen in wenige archaische und existenzielle Ur‑Gesten zu fassen, die allem menschlichen Handeln und Sehnen zu Grunde liegen. Walter Habdank malte den Menschen vor Gott, aller überflüssigen Bewegung beraubt, aller Ablenkungsmanöver entledigt, auf die nackte Existenz reduziert, und er versuchte dabei, das, was die Menschen in ihrem Innersten ausmacht - Angst, Hoffnung, Ohnmacht, Frieden - nach auen hin zu zeigen. So stehen immer wieder Mens­chen in elementaren Situationen im Mittelpunkt seiner Werke, dargestellt in ihren Grundhaltungen: getroffen und betroffen, bezogen auf ein Gegenüber, das oft der Betrachter selbst ergänzen muss. Er wollte mit seinen Bildern den "Betrachter ansprechen, anrühren, ihn provozieren, ihn herausfordern, ohne ihn sind seine Bilder unfertig”.

So ist seine Kunst nicht nur expressiv - ausdrucksstark - sondern von ihrem Innersten her auch kommunikativ - sie regt an, zum Nachdenken, zum Mitdenken, zu einem sich Einlassen auf ein Gespräch, einen Dialog mit dem Bild.

Christusfigur
Im Mittelpunkt des Altarbildes steht dabei die Christusfigur. Es ist Jesus als Auferstandener, der hier abgebildet ist. Die Furchen in seinem Gewand sind tief und stehen für das Leid, das er getragen hat. Doch seine Hände hängen nicht müde nach unten, sondern sind als ein Zeichen der Hoffnung erhoben. Lehrend, als möchte er etwas zeigen, stellt der Künstler den auferstandenen Jesus dar, ja noch mehr, seine Hände sehen fast segnend aus. Und hinter diesen Händen strahlt das Licht des neuen Lebens.

In der biblischen Geschichte aus dem Ende des Markus-Evangeliums (Mk. 16, 9-16), die Walter Habdank mit seinem Bild interpretiert, heißt es dazu:

"Zuletzt, als die Elf zu Tisch sassen, offenbarte Jesus sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen."

Bei Walter Habdank steht nicht dieses Schelten im Mittelpunkt seines Bildes, sondern eher die folgenden beiden Verse, in denen es heißt:

"Und Jesus sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden;"

Etwas von diesem Seligwerden spricht aus den Händen, die Jesus erhoben hat, wie auch aus seinem Gesicht, aus seinen Augen. Die Menschen, die voller Not um ihn versammelt sind, voller Angst, Verzweiflung, Hoffnung und Mut, sollen selig werden. Und auch wir, die wir dieses Bild betrachten, sollen in unseren Ängsten, in unserer Verzweiflung, in unserer Hoffnung und in unserem Mut selig werden.

  So sind diese Menschen, die Jesus umgeben, Identifikationsfiguren für uns: der Mann auf der rechten Seite, in seiner ver­krümmten Haltung, seine Hände flehend erhoben. Die Frau, die am Tisch sitzt, die Hände vor ihrer Brust überkreuzt, das Gesicht voller Frieden, das Kind auf der linken Seite, dessen Mund lächelt, aber dessen Hände eine andere Sprache sprechen - wie übrigens fast bei allen Figuren auf diesem Altarbild eine eigenartige Spannung festzustellen ist, zwischen den Gesichtern auf der einen Seite - und ihrer Haltung, ihren Gesten, ihren Händen auf der anderen Seite - auer bei Christus.

Er stimmt mit sich überein, ruht in sich, voller Frieden, im Gegensatz zu den Menschen um ihn herum. Zwar tragen auch sie etwas von diesem Frieden in ihren Gesichtern. Da ist ein Leuchten, ein Lächeln, ein Friede vorhanden, den sie in sich aufgenommen haben. Doch ihre Hände, ihre Körperhaltung, zeigt zugleich die andere Seite ihres Lebens auf. Da ist die Not zu spüren, die Angst, die Verzweiflung, ihr Bitten und ihr Flehen. In ihren Gesichtern ist das Licht des neuen Lebens schon angekommen und zu spüren, während in ihren Körpern noch immer die Not zu spüren ist. So sind sie Zwitterwesen - erlöst und unerlöst zugleich. Ganz Mensch eben.

Und dann der Tisch, mit Brot und Wein. Walter Habdank hat ihn in diese Geschichte mit hinein erzählt - in der biblischen Geschichte zu diesem Bild kommt er nicht vor. Walter Habdank war dieser Tisch wichtig: Brot und Wein, Stärkung für unseren Weg. Gott geht mit uns. Durch die Not, durch den Tod, zum Leben. Gott hilft uns - Zwitterwesen die wir sind - pendelnd zwischen Erlösung und Not - unseren Weg zu gehen, mit Gottes Hilfe, um den Frieden ganz zu finden, den wir zum Teil schon in uns spüren.

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